Bahnindustrie verliert die Lust am Straßenbahn-GeschäftEBERHARD KRUMMHEUER HANDELSBLATT, 1.3.2004 DÜSSELDORF. Für die deutsche Bahnindustrie sind die fetten Jahre im Geschäft mit Straßenbahnen vorbei. Auf ihrem Heimatmarkt, dem größten Einzelmarkt weltweit, stehe ein dramatischer Einbruch der Nachfrage bevor, prognostiziert die Unternehmensberatung SCI Verkehr. Vor diesem Hintergrund wird in der Branche heftig über einen Ausstieg des Marktführers Bombardier Transportation aus dem so genannten Light- Rail-Markt spekuliert. Entsprechende Andeutungen hatte Bombardier-Chef Paul Tellier Mitte Februar in einem Interview mit dem Handelsblatt gemacht. Im Markt der Straßen- und Stadtbahnen seien die Preise "grottenschlecht", beobachtet SCI-Geschäftsführerin Maria Leenen. "In einem gigantischen Preiskampf haben die großen Anbieter sich die Preise kaputt gemacht, sehr zur Freude der Verkehrsbetriebe." Doch inzwischen sei der Beschaffungsboom nach der Wiedervereinigung gesättigt. Hinzu komme die Finanzknappheit der kommunalen Haushalte. "Es gibt derzeit keinen Markt", bestätigte ein Siemens-Manager dem Handelsblatt: "Die haben alle keine Knete." Die Konzerntochter Siemens Transportation (TS) hat zudem ein teures Problem: Bei der Niederflurbahn "Combino", die seit 1995 in 475 Einheiten verkauft wurde, müssen die Aluminium-Wagenkästen nachgebessert werden, weil sie den Belastungen des Betriebsalltags nicht standhalten. TS-Chef Hans Schabert hat bereits Rückstellungen von fast 200 Mill. Euro angekündigt. Die SCI-Studie erwartet, dass sich die Zahl der auszuliefernden Fahrzeuge allein für deutsche Verkehrsbetriebe von 2002 bis 2005 auf etwa 100 halbieren werde. Weltweit werde das Umsatzvolumen im Light-Rail- Markt von 1,7 Mrd. auf rund 1 Mrd. Euro sinken. Das entspreche 500 Fahrzeugen im Jahr. In der Bahntechnik-Branche wird dieses Geschäft nicht nur bei Bombardier ohne große Begeisterung betrieben. Denn es lässt sich nicht industriell abwickeln. Dazu sind die Stückzahlen zu klein. Zudem drücken gewaltige Überkapazitäten. Bombardier könne allein mit seinen Standorten in Wien und Bautzen die komplette Nachfrage erfüllen, heißt es in der Branche. Hinzu kommt, dass die oft in mehr als 100-jähriger Geschichte gewachsenen Straßenbahnbetriebe in vielen technischen Details voneinander abweichen. Über Modularisierung und Standardisierung versuchen die großen Hersteller dieses Manko zu beseitigen. "Schwachsinnige Strategien", meint ein Mittelständler, "das Light-Rail-Geschäft ist etwas für kleine Spezialisten." Ähnlich urteilen Bombardier-Manager hinter vorgehaltener Hand. In Siemens-Kreisen hingegen wird trotz der Combino-Pleite, "kein Grund zur Weltuntergangsstimmung" gesehen. TS sei international gut aufgestellt. Laut SCI macht der Konzern gut ein Viertel des Light- Rail-Umsatzes in Nordamerika. Als ein möglicherweise geeigneter Mittelständler fürs Straßenbahngeschäft wird in der Branche häufig der Name der zuletzt stark gewachsenen Vossloh AG, Produzent von Dieselloks, Schienenbefestigungen und Weichen, genannt. Doch Vorstandschef Burkhard Schuchmann winkt ab: "Kein Interesse". Quelle: HANDELSBLATT, 1.3.2004 |
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